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SQ94 - Brünierung von Wälzlagern die Vor- und Nachteile aus der Praxis

. Nicole Roll

Das Brünieren von Bauteilen aus Eisen oder Stahl hat zum Zwecke des Korrosionsschutzes und als dekoratives Element eine lange Tradition. Im Sinne der technologischen Anwendung zur Beeinflussung der Oberflächen- bzw. Bauteileigenschaften wurde die Brünierung zur Vereinheitlichung der Verfahren, Anforderungen und Prüfmethoden im Rahmen der DIN 50938 bzw. ISO 11408 genormt und für die Anwendung im Bereich Wälzlager noch weiter verfeinert.

Bei der Brünierung handelt es sich um eine Schutzschicht auf Eisen- oder Stahlteilen. Dabei wird die Oberfläche der behandelten Bauteile mittels eines mehrstufigen, chemischen Prozesses in eine 1 bis 2 Mikrometer dünne Mischoxidschicht, bestehend aus FeO, Fe2O3 und Fe3O4, umgewandelt. Es handelt es sich bei der Brünierung um keine Beschichtung als solche, und dimensionale Veränderungen finden kaum statt. Die typische Schwarzfärbung der Brünierung ergibt sich aus den in dieser Konversionsschicht enthaltenen Mischoxiden.

Meist wird die Brünierung mit Korrosionsschutz in Verbindung gebracht, wobei die Wirkung auf Grund der dünnen und porösen Konversionsschicht primär durch das Beölen oder Befetten der brünierten Oberflächen erreicht wird. Somit ist die Korrosionsschutzwirkung begrenzt und längerfristig abhängig von einer entsprechenden Wartung. Aus heutiger Sicht stehen zur Erzielung eines reinen, effektiven Korrosionsschutzes wesentlich geeignetere Verfahren zur Verfügung.

Vorteile einer Brünierung bei Wälzlagern

Brünierte Wälzlagerkomponenten verfügen über besondere technische Eigenschaften, speziell wenn diese eine Relativbewegung gegeneinander aufweisen. Ein mehrfacher Schutzeffekt kommt bereits bei einzelnen brünierten Elementen (meist Wälzkörper) zum Tragen, das beste Ergebnis wird jedoch erzielt, wenn sämtliche Funktionsflächen eines Wälzlagers, das heißt Innen- und Außenring wie auch die Wälzkörper, brüniert sind. Im Folgenden werden die wesentlichen Vorteile kurz umrissen:

Vorteil 1: Verbessertes Einlauf- und Verschleißverhalten

Da es sich bei der Konversionsschicht um eine vergleichsweise abrieb- und biegefeste Schicht handelt, wird das Einlaufverhalten brünierter Wälzlager günstig beeinflusst und legt damit die Basis für einen späteren störungsfreieren Betrieb. Der Einlaufverschleiß bzw. die Einlaufverschleißdauer ist bei den brünierten Wälzlagern wesentlich geringer als bei unbehandelten Lagern. Zusätzlich begünstigt die poröse Schichtcharakteristik eine bessere Haftung vieler Schmierstoffe an den Lageroberflächen, was sich positiv auf die Schmiersituation insbesondere in kritischen Ein- oder Anlaufphasen auswirkt.

Beispiel aus der Praxis

NKE liefert seit Jahren brünierte Zylinderrollenlager (vollrollig oder mit Käfig) für Groß- bzw. Hauptgetriebe von Windenergieanlagen verschiedener Hersteller. Neben der empirisch belegten Wirksamkeit zur Minderung von WEC (White Etching Cracks) hat sich die Brünierung als zusätzlicher Schutz der Wälzlager insbesondere in der Einlauf- und Testphase der Getriebe bewährt.

Vorteil 2: Verbessertes Verschleißverhalten bei adhäsivem Verschleiß

Niedrig belastete Wälzlager und solche, die im Betrieb raschen Drehzahlwechseln ausgesetzt sind, neigen zu adhäsivem Verschleiß, also Schlupfschäden bzw. Anschmierungen durch Wälzkörpergleiten. Dabei kommt es zu einem Gleiten bzw. Schlupf zwischen den Wälzkörpern und meist der Innenringlaufbahn, wenn der Unterschied in den Abwälzgeschwindigkeiten zwischen Innenringlaufbahn und Rollensatz sehr groß ist. Das Gleiten führt gerade im Bereich des Eintritts der Wälzkörper in die belastete Zone zu Anschmierungen, die das Material bzw. Gefüge an der Wälzkörper- und der Laufbahnoberfläche nachhaltig schädigen. In Folge kommt es rasch zu einer Verschlechterung der Betriebseigenschaften und bedingt in der Regel einen vorzeitigen Lagerausfall. Derartige Schlupfschäden finden sich oft in Kombination mit unzureichender Schmierung bzw. einem für den Anwendungsfall ungenügendem Schmierstoff.

Eine Sonderform der Schlupfschäden findet sich bei vollrolligen Zylinderrollenlagern, bei denen die entgegengesetzten Oberflächengeschwindigkeiten der sich berührenden Rollen die Ausbildung eines trennenden Schmierfilms erschweren. Nicht immer kann der metallische Kontakt zwischen benachbarten Rollen verhindert werden, so dass es unter Zunahme der Reibung zu Anschmierungen und damit Schädigungen der Wälzkörpermantelflächen kommt.

In beiden Situationen wirkt eine Brünierung als Schutzschicht, die das Auftreten von Verschleiß und Anschmierungen deutlich verzögern kann und im Falle von Stahl-Stahl-Kontakt bei einem kurzzeitigen Zusammenbruch des Schmierfilmes die Gefahr des Kaltverschweißens und verschiedener anderer schwerwiegender Oberflächenschädigungen vermindert.

Abhängig von der Schwere der Betriebsbedingungen in dem jeweiligen Anwendungsfall ist bei dem Einsatz brünierter Wälzlager grundsätzlich zu beachten, dass die Konversionsschicht, nicht zuletzt aufgrund der geringen Stärke, auch Verschleiß zeigen und letztlich aufgebraucht sein wird.

Beispiel aus der Praxis

Zylinderrollenlager mit Bohrungsdurchmessern von 560 mm oder kleiner sollten mit einer Betriebsbelastung von etwa 1 Prozent der radialen Tragfähigkeit und einer Drehzahl von bis zu 1200 U/min betrieben werden. Trotz einer Reduktion der Wälzkörperanzahl zur Minderung der Tragfähigkeit kam es im Betrieb dennoch zu den charakteristischen, pfeil- oder rautenförmigen Anschmierungen in den Laufbahnen (Bild 1) und den damit verbundenen Oberflächenschäden an den Wälzkörpern (Bild 2). Dieser Fall konnte von NKE dauerhaft durch den Einsatz von brünierten Wälzkörpern und einem auf die Anwendung hin abgestimmten Schmierstoff gelöst werden.

Vorteil 3: Schutz gegen Umgebungseinflüsse

In Verbindung mit den anderen Vorteilen bietet die Brünierung auch einen Schutz gegen Umgebungseinflüsse. Neben der Zunahme des Korrosionsschutzes in Verbindung mit einem geeigneten (Konservierungs-)Öl wirkt die Brünierung zur Vorbeugung von Passungsrost und bildet eine Schutzschicht für den Lagerstahl gegen eine schädliche Wasserstoffdiffusion sowie gegen das chemische Einwirken aggressiver Ölbestandteile wie Verschleiß- und Korrosionsschutzadditive, die oftmals in Schmierölen, welche zum Einsatz in Getrieben optimiert wurden, enthalten sind.  

Fazit

In Summe darf man bei der Brünierung von einer wirtschaftlich attraktiven Maßnahme zur Gebrauchsdauerverlängerung und Leistungsverbesserung insbesondere bei kritischen Anwendungsfällen sprechen, wobei der Einsatz in Verbindung mit der Anwendung jeweils geprüft werden sollte.

Autor: David Schaljo ist Leiter Anwendungstechnik bei der NKE Austria GmbH in Steyr

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